Monatsarchive: Oktober 2011

parallelwelt

Die Temperaturen sind gefallen, die nächtlichen Grillenkonzerte verstummt und die Männer haben ihre T-Shirts wieder runtergekrempelt – der Sommer hat Peking verlassen. Nachdem die lähmende Hitze nun vorbei ist, erwacht alles aus der Starre, man geht wieder aus. Also war auch ich vor kurzem auf einem „gesellschaftlichen Event“ – einem Polospiel mit anschließendem argentinischen Barbecue. Genau, das Spiel mit Schlägern und Pferden für Leute mit Geld. Danielle, eine Kollegin aus Kanada, hatte vor einiger Zeit einen Bericht über Polo für CRI gemacht und war eingeladen worden, sich mal ein richtiges Spiel anzusehen.

Der Tang Polo Club liegt mitten in einem Dorf in der Nähe des Pekinger Flughafens. Es sieht dort aus, wie in vielen der Siedlungen rund um das Stadtzentrum. Kleine Häuser säumen eine Straße, auf der Maiskolben und Getreide zum Trocknen ausliegen. Weiß man nicht, dass es dort einen Privat-Club für Chinesen und Ausländer mit Geld gibt, dann fährt man an dem unauffälligen schmiedeeisernen Tor einfach vorbei.

Am riesigen Polofeld führt ein Kiesweg entlang, auf dem zwei Mannschaften um den Sieg kämpfen. Meist kann man die Spieler aber nur von sehr weit weg sehen. Das Publikum sitzt an Tischen, mit einem kühlen Getränk in der Hand. Einige versuchen sich darin, Polobälle mit einem Schläger in eine Art Netz zu befördern.

Auf der rechten Seite des Weges befinden sich die Stallungen, Reitplätze, eine Übungsanlage mit einem Plastikpferd und das Clubhaus mit Reithalle. Dort baumelt von der Decke im Eingangsbereich ein großer Kristallüster.

Angela ist die Frau des Club-Verwalters Peter. Der Tang Polo Club ist für sie, ihren Mann und ihre Tochter die bislang letzte Station in einer langen Reihe von privaten Sportclubs weltweit, in denen Peter als Verwalter gearbeitet hat. Christina kommt aus Malaysia, ihr Mann ist der Geschäftsführer des Shangri-La Hotels in Peking. Die beiden Frauen sind gut gelaunt, sorgfältig zurechtgemacht und reißen Witze über Männer im allgemeinen und das Leben an sich.

Nach dem Spiel gibt es auf der Terrasse des Clubhauses ein argentinisches Asado. Der Grill ist in diesem Fall ein ca. 1×3 Meter großes Gitter auf dem Fleischberge brutzeln. Nach und nach finden sich alle auf der Terrasse des Clubhauses ein. Die Gäste sind hauptsächlich reiche Chinesen, die sich über Polo informieren wollen, nachdem Golf nicht mehr so exklusiv ist. Die Spieler kommen aus aller Herren Länder. Einige aus China, Kanada oder den USA, die meisten jedoch aus Argentinien. Viele sind Profis, die mit Polo-Turnieren ihr Geld verdienen. Einige der argentinischen Spieler wohnen auch im Tang Polo Club. Sie sind dort für ein bis zwei Jahre angestellt, um Clubmitgliedern den aristokratischen Sport näher zu bringen.

Die Aufgabenteilung an diesem Abend ist eindeutig. Die Männer stehen lässig mit riesigen Zigarren im Mund herum und unterhalten sich über das Spiel und Geschäfte. Die Frauen sind hübsch, tanzen ein bisschen und sind hauptsächlich zur Unterhaltung der Männer da. Mein Lieblingsdialog mit einem kanadischen Profispieler und Eigentümer einer Bekleidungsfirma verlief folgendermaßen:

– Oh, Du bist aus München. Interessant. Wie heißt nochmal der Flughafen dort?
– Franz-Josef-Strauß.
– Genau, mit dessen Sohn war ich mal auf dem Oktoberfest.
– Aha, mit welchem seiner Söhne?
– Weiß ich jetzt nicht mehr, wie der hieß.
– Einer von denen wurde ja wegen Steuerhinterziehung verknackt.
– Genau, der war es! Das war damals, als ich Heckler&Koch gekauft habe.
– Oh, Dir gehört Heckler&Koch?
– Nee, meine Geschäftspartner haben mich aus dem Deal gedrängt.

Es war insgesamt ein sehr skurriler Nachmittag und Abend. Interessant war es allemal, zu sehen, wie die Schönen und Reichen in China so ihre Zeit verbringen. Aber letztendlich ist es doch nicht meine Welt.

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