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Archiv der Kategorie: china
parallelwelt
Die Temperaturen sind gefallen, die nächtlichen Grillenkonzerte verstummt und die Männer haben ihre T-Shirts wieder runtergekrempelt – der Sommer hat Peking verlassen. Nachdem die lähmende Hitze nun vorbei ist, erwacht alles aus der Starre, man geht wieder aus. Also war auch ich vor kurzem auf einem „gesellschaftlichen Event“ – einem Polospiel mit anschließendem argentinischen Barbecue. Genau, das Spiel mit Schlägern und Pferden für Leute mit Geld. Danielle, eine Kollegin aus Kanada, hatte vor einiger Zeit einen Bericht über Polo für CRI gemacht und war eingeladen worden, sich mal ein richtiges Spiel anzusehen.
Der Tang Polo Club liegt mitten in einem Dorf in der Nähe des Pekinger Flughafens. Es sieht dort aus, wie in vielen der Siedlungen rund um das Stadtzentrum. Kleine Häuser säumen eine Straße, auf der Maiskolben und Getreide zum Trocknen ausliegen. Weiß man nicht, dass es dort einen Privat-Club für Chinesen und Ausländer mit Geld gibt, dann fährt man an dem unauffälligen schmiedeeisernen Tor einfach vorbei.
Am riesigen Polofeld führt ein Kiesweg entlang, auf dem zwei Mannschaften um den Sieg kämpfen. Meist kann man die Spieler aber nur von sehr weit weg sehen. Das Publikum sitzt an Tischen, mit einem kühlen Getränk in der Hand. Einige versuchen sich darin, Polobälle mit einem Schläger in eine Art Netz zu befördern.
Auf der rechten Seite des Weges befinden sich die Stallungen, Reitplätze, eine Übungsanlage mit einem Plastikpferd und das Clubhaus mit Reithalle. Dort baumelt von der Decke im Eingangsbereich ein großer Kristallüster.
Angela ist die Frau des Club-Verwalters Peter. Der Tang Polo Club ist für sie, ihren Mann und ihre Tochter die bislang letzte Station in einer langen Reihe von privaten Sportclubs weltweit, in denen Peter als Verwalter gearbeitet hat. Christina kommt aus Malaysia, ihr Mann ist der Geschäftsführer des Shangri-La Hotels in Peking. Die beiden Frauen sind gut gelaunt, sorgfältig zurechtgemacht und reißen Witze über Männer im allgemeinen und das Leben an sich.
Nach dem Spiel gibt es auf der Terrasse des Clubhauses ein argentinisches Asado. Der Grill ist in diesem Fall ein ca. 1×3 Meter großes Gitter auf dem Fleischberge brutzeln. Nach und nach finden sich alle auf der Terrasse des Clubhauses ein. Die Gäste sind hauptsächlich reiche Chinesen, die sich über Polo informieren wollen, nachdem Golf nicht mehr so exklusiv ist. Die Spieler kommen aus aller Herren Länder. Einige aus China, Kanada oder den USA, die meisten jedoch aus Argentinien. Viele sind Profis, die mit Polo-Turnieren ihr Geld verdienen. Einige der argentinischen Spieler wohnen auch im Tang Polo Club. Sie sind dort für ein bis zwei Jahre angestellt, um Clubmitgliedern den aristokratischen Sport näher zu bringen.
Die Aufgabenteilung an diesem Abend ist eindeutig. Die Männer stehen lässig mit riesigen Zigarren im Mund herum und unterhalten sich über das Spiel und Geschäfte. Die Frauen sind hübsch, tanzen ein bisschen und sind hauptsächlich zur Unterhaltung der Männer da. Mein Lieblingsdialog mit einem kanadischen Profispieler und Eigentümer einer Bekleidungsfirma verlief folgendermaßen:
– Oh, Du bist aus München. Interessant. Wie heißt nochmal der Flughafen dort?
– Franz-Josef-Strauß.
– Genau, mit dessen Sohn war ich mal auf dem Oktoberfest.
– Aha, mit welchem seiner Söhne?
– Weiß ich jetzt nicht mehr, wie der hieß.
– Einer von denen wurde ja wegen Steuerhinterziehung verknackt.
– Genau, der war es! Das war damals, als ich Heckler&Koch gekauft habe.
– Oh, Dir gehört Heckler&Koch?
– Nee, meine Geschäftspartner haben mich aus dem Deal gedrängt.
Es war insgesamt ein sehr skurriler Nachmittag und Abend. Interessant war es allemal, zu sehen, wie die Schönen und Reichen in China so ihre Zeit verbringen. Aber letztendlich ist es doch nicht meine Welt.
Veröffentlicht unter china
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nimm platz, genosse
In Peking sitzt man gerne. An Straßenecken, in Hauseingängen, auf dem Bürgersteig und auch sonst überall, wo sich die Gelegenheit bietet. Die Sitzgelegenheiten sind genauso unterschiedlich, wie die Orte. Manchmal notdürftig geflickt, manchmal improvisiert, manchmal ausrangiert. Hauptsache, man sitzt gut.
kunsthybride
Im National Art Museum of China ist noch bis zum 17. August die Ausstellung „translife 2011“ zu sehen. Ein Besuch lohnt sich auf alle Fälle. Und das nicht nur, weil der Eintritt kostenlos ist. Die Exponate bewegen sich alle an der Grenze zwischen Kunst, Media Art und Wissenschaft und laden oft zum Mitmachen, Berühren und Ausprobieren ein. Die meisten Werke funktionieren sogar nur, wenn der Betrachter Teil der Installation wird.
Los geht es schon im Hof des Museums – mit dem „Weather Tunnel“. Die Ausstellungsstücke ziehen aus dem Internet Wetter- und Umweltdaten bestimmter Gebiete und setzen sie dann in Sound-
effekte, Bewegungen oder Visualisierungen um. Wie „Weather Inflections“, ein Gemeinschafts-
projekt mehrerer australischer Künstler und Wissenschaftler der Curtin University in Perth und der University of New South Wales in Sydney. In einem alten Reisekoffer landen Echtzeit-Klimadaten aus Perth, die dann in Töne gewandelt werden. Man kann auf die in den Koffer eingelassenen Knöpfe drücken und aus dem aktuellen Klima in Perth Musikcollagen basteln.
Das „Electromechanical Solenoid Orchestra and Weather Ensemble“ von Benjamin Bacon und Joe Saavedra durchzieht fast die Hälfte des Tunnels. Die US-Amerikaner setzen Wetterdaten mithilfe selbstgebauter „Instrumente“ in generative Musik um, deren Rhythmus, Harmonien und Tempo durch die Daten bestimmt werden.
Der erste Ausstellungsteil im Museum trägt den Titel „Sensorium of the Extraordinary“. Und es gibt wahrlich ungewöhnliches zu entdecken. Den Anfang macht „15 Minutes of Biometric Fame“ von Marnix de Nijs aus den Niederlanden. Ein ferngesteuerter Kameradolly sucht per Bewegungssensor nach Besuchern, deren Gesichter er aufnimmt und online mit berühmten Persönlichkeiten abgleicht. Das Resultat wird an die Wand projiziert. So bekommt jeder seine warholschen 15 Minuten Ruhm.
Ein absolutes Highlight ist „Nemo Observatorium“. Hier sitzt man im Auge eines Schneesturms. Um einen herum wirbeln kleine Styroporkügelchen und doch bewegt sich kein einziges Haar auf dem Kopf. Diese Installation von Lawrence Malstaf ist der absolute Publikumsmagnet. Geduldig warten die Besucher in einer Reihe, bis auch sie auf dem Sessel im Zentrum der Apparatur Platz nehmen können. Und das ist in China beim Anstehen sonst eher selten.
Die Japaner Seiko Mikami und Sota Ichikawa locken einen bei „Gravicell: Gravity and Resistance“ auf eine Fläche die mit 255 drucksensitiven Platten ausgelegt und auf allen vier Seiten von einer Leinwand begrenzt ist. Dort kann man durch Hüpfen, Laufen oder Interaktion mit anderen sein eigenes kleines Erdbeben auslösen, dessen Verbreitungswellen auf den Boden und die Leinwände projiziert und in Tonsignale umgewandelt werden. Großartig!!!
Auch bei „E-Static Shadows“ von Zane Berzina und Jackson Tan ist der Mensch Teil der Installation. Man läuft zunächst durch einen dunklen Gang, der mit schwarzem Kunstsamt ausgekleidet ist und in dem breite Streifen aus dünnen Plastiktüten hängen. So lädt man sich statisch auf und kann dann an einem mit LEDs versehenen geschwungenen Band seinen eigenen Schatten sehen. Durch die elektrostatische Ladung gehen die Lämpchen aus.
Der Ausstellungsteil umfasst noch viele andere Stücke, wie den „Artificial Moon“, der aus Hunderten von Energiespar-Lampen zusammengesetzt ist. „Broken Mirror“, einen Spiegel, den der Besucher „zerstören“ kann. „Evolving Spark Network“, eine elektronische Installation, bei der durch Bewegungen an der Decke kleine elektrische Blitze erzeugt werden. Das zauberhafte „Lights Contacts“ bei dem zwei oder mehr Menschen sich berühren und durch den Kontakt mit der Installation Licht und Tonfolgen erzeugen. Alleine bleibt alles schwarz und leise. Oder das sehr merkwürdige „Scales“ bei dem Fische in Aquarien zum Singen gebracht werden. Und das ist genauso frankensteinmäßig gruselig, wie es sich anhört.
Im Teil „Sublime of the Liminal“ verschiebt sich der Schwerpunkt der Ausstellung noch mehr in Richtung Wissenschaft, in Richtung künstliches Leben, intelligente Objekte und hybride Pflanzenwesen.Das Objekt „Breathing“ des Brasilianers Guto Abrega besteht aus einer im Raum schwebenden Pflanze, an deren Blättern man Elektroden angebracht hat. Diese sind mit den freiliegenden Wurzeln verbunden, die an Metallstäbe gebunden sind. Atmet man die Pflanze an, bewirkt die CO2 Veränderung in der Luft eine Bewegung an den Metallstäben und löst Lichtsignale aus, sie reagiert mithilfe der mechanischen Teile auf den Besucher.
Auch „Anatomy of Landscape I-11“ hat die Natur als Thema. Betritt man den Raum, meint man zuerst, plötzlich in der alten Pinakothek gelandet zu sein. Man blickt auf ein Bild, das an die Landschaftsmalerei niederländischer Meister erinnert. Erst beim Näherkommen fällt auf, dass diese Illusion aus Erde und echten Pflanzen nachgebaut wurde, die durch ein ausgeklügeltes System bewässert werden. Die Beleuchtung entspricht dem aktuellen Stand der Sonne.
„The Fish-Bird Seies“ von Mari Velonaki besteht aus drei Teilen. Im ersten agieren zwei Rollstühle, Fish und Bird, miteinander und mit dem Zuschauer. Dabei drucken sie Liebesbriefe aneinander aus. Im zweiten Teil werden die Texte der Liebesbriefe in zwei Würfel projiziert, die man in die Hand nehmen kann. Bewegt man sie vorsichtig, ertönen zu den Zeilen aus den Briefen Klänge. Schüttelt man sie, verstummt die Musik und die Texte werden unlesbar – die Kommunikation bricht ab. Beim dritten Teil kann man handgeschriebene Mitteilungen in einen grauen Sack geben, an dem sich ein rotierender Briefschlitz befindet. Diese werden später zu den Liebesbriefen von Fish und Bird.
Lernende, mit dem Zuschauer interagierende Objekte sind auch die „Performative Ecologies“ von Ruairi Glynn. Diese Roboterwesen befinden sich in einem dunklen Raum und können anfangs gar nichts. Mit der Zeit und durch Interaktion mit dem Betrachter lernen sie, wie sie durch Bewegungen und Licht dessen Aufmerksamkeit fesseln. Außerdem lernen sie voneinander und stimmen sich miteinander ab.
In diesem Ausstellungskapitel gibt es noch viele weitere Stücke. Wie „Bitflow“, bei dem kleine Einheiten durch dünne durchsichtige Schläuche fließen und manchmal Buchstaben bilden, die aber nur aus bestimmten Perspektiven erkennbar sind. Oder „Silent Barrage“, einen Stelenwald, bei dem die Bewegungen der Besucher an den Säulen markiert werden.
„Zone of the Impending“ ist der letzte Ausstellungsteil. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Umwelt und dem Ökosystem. Sehr viele Werke erinnern fast mehr an wissenschaftliche Versuchsaufbauten, und ich hatte Schwierigkeiten, sie nachzuvollziehen.
Die Kanadierin Diane Landry schafft es mit „Knight of Infinite Resignation“ jedoch, die Sorge um die zunehmende Wasserknappheit fast spielerisch darzustellen. Jeweils 12 Plastikflaschen bilden eine Windmühle. Doch statt Wasser enthalten sie Sand, der bei jeder Umdrehung leise rieselnde Geräusche macht und das Verrinnen der Zeit spürbar werden lässt.
„Banana Poetry“ von Ines Krasić nutzt als Energiequelle Zitronen. Sobald genug Elektrizität generiert wurde, setzt eine Maschine diese in neue Zeilen eines endlosen Textes um. Den Inhalt kann man mit bestimmten Parametern wie Erotic HORNY WORDS, Karl Marx KAPITAL WORDS, Shoo bee doo bee do REFREN, Citations WISE WORDS, Poetry POETIC WORDS, Cookbook TASTY WORDS, Self-help HELPING WORDS oder Art manifesto DADA MANIFESTO steuern. Eine ähnliche Maschine, die mit normalem Strom angetrieben wird, druckt Texte aus, die man nach den eben genannten Kriterien zusammengestellt hat. Ein sehr kurzweiliges Spiel, das viele überraschende Ergebnisse ausspuckt. Allerdings ohne Bananen.
„Nuage Vert“ und „Champs d´Ozone, Beijing“ sind Videoinstallationen von Helen Evans und Heiko Hansen, die Umweltverschmutzung durch eine große französische Müllverbrennungsanlage und die Pekinger Luftqualität zum Thema haben. Bei „Nuage Vert“ wird die Verschmutzung als grüne Wolke dargestellt, die aus dem Schornstein der Müllverbrennungsanlage steigt. „Champs d´Ozone, Beijing“ misst in Echtzeit die Schadstoffkonzentration in der Luft und zeigt sie dann anhand eines farblich changierenden Nebels an.
Der Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Kunst, in dem sich „translife 2011“ bewegt, macht die Ausstellung zu einer der spannendsten und innovativsten, die ich in der letzten Zeit gesehen habe. Interessant ist, dass sich diese Überschneidung auch in den Biografien der ausstellenden Künstler wieder findet. Viele haben sowohl einen naturwissenschaftlichen, als auch einen künstlerischen Hintergrund. Viele Projekte waren auch von vornherein interdisziplinär angelegt.
Wer sich näher über die Ausstellung informieren möchte, sollte auf der Website http://www.mediartchina.org/ vorbeischauen. Oder natürlich bis zum 17. August im National Art Museum of China in Peking.
Veröffentlicht unter china
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